Newsletter 2/2017

Mit unserem heutigen Newsletter möchten wir auf die aktuelle Ausgabe der deutschen Zeitschrift Inamo hinweisen. Inamo ist zweifellos die kompetenteste deutschsprachige Nahostzeitschrift.

Fritz Edlinger
Herausgeber

http://www.inamo.de/heft/

Die aktuelle INAMO »Palästina: 50 Jahre besetzt«

Heft Nr. 88, Jahrgang 22, Winter 2016, 70 Seiten, Dezember 2016

Jetzt bestellen

Mit Beiträgen von:

Sarah Ihmoud, Nadera Shalhoub-Kevorkian, Kevin Kaminski, Noura Erakat, Petra Wild, Toma El-Sarout, Nadim Rouhana, Jonathan Cook, Gidi Weitz, Dörte Krumbein, Ava Matheis, Sascha Radl, Nabil Tanios, Errol Babacan, Roman Deckert, Jörg Tiedjen und Salah Saouli.

 

Inhalte im Schwerpunkt

»Palästina: 50 Jahre besetzt«

 

Zwei Briefe aus Jerusalem: Unseren Atem im Nacken

Von Sarah Ihmoud/Nadera Shalhoub-Kervorkian

Die rassistischen Ausbrüche nicht nur in der Siedlerbevölkerung sondern auch in der israelischen Gesellschaft wird oft von den liberalen Medien als „neue Eskalationsstufe  und als schockierende Fehlentwicklung interpretiert, weil Israel ja von Grund auf eine demokratische Gesellschaft“ sei. Die Autorinnen jedoch sind der Meinung, dass der rassistische Terror gegen die palästinensische Bevölkerung konstitutiv ist für den siedlungskolonialen „jüdischen Staat“. Am Beispiel Jerusalem beschreiben sie die Kultur des Terrors. „Verhaftungen, Prügelattacken, Folter und Tötungen von Palästinensern finden unvermindert statt und wirken darauf hin, die indigene palästinensische Bevölkerung durch Angst und Schrecken aus ihren Häusern und von ihrem Land zu vertreiben.“

 

Gestohlene Kindheit – Palästinensische Kinder und das System des Siedlerkolonialismus

Von Nadera Shalhoub-Kervorkian

Nadera Shalhoub-Kervorkian untersucht die Unterschiede zwischen Kolonialismus und Siedlerkolonialismus und was mit Kindern im Kontext  von Siedlerkolonialismus passiert und warum ein palästinensisches Kind kein Recht hat auf die ihm zustehenden Rechte. Sie schließt daraus, basierend auf den Studien von Patrick Wolfe, dass im Gegensatz zum Kolonialismus, der Siedlerkolonialismus das Ziel hat, „die einheimische Bevölkerung durch Siedler zu ersetzen, und zwar für immer“. Nach dieser These folgert sie, dass an bestimmten Orten, z.B. einige Viertel in Jerusalem,  die Gewalt gegen Kinder brutaler ist als an anderen Orten. Ständige Kontrollen und Bestrafungen durch die Polizei sind an der Tagesordnung, „sogar noch ehe sie überhaupt geboren sind“.

 

Regulation, Abhängigkeit und Disziplin – Palästinensische Arbeitspendler und die Checkpoints

Von Kevin Kaminski

Die einzigen legalen Wege aus dem Westjordanland nach Israel werden durch ein System von Checkpoints gewährleistet. Täglich wird dieses System von bis zu 100.000 palästinensischen Arbeitspendlern genutzt, die den schlechten sozioökonomischen Bedingungen im Westjordanland entfliehen wollen. Diese resultieren aus der israelischen Besatzungspolitik, der hohen palästinensischen Arbeitslosigkeit und Armutsrate.  Aus der Sicht Israels bedrohen diese Arbeitspendler den nationalen Status Quo sowie die Sicherheit Israels während sie gleichzeitig ein günstiges Arbeitskräftereservoir darstellen. Mit der Etablierung der Checkpoints wurde auch der Besitz einer Arbeitserlaubnis obligatorisch. Das hatte Konsequenzen sowohl für den Erwerb als auch für die physische Grenzüberschreitung, die somit an herrschende Normen, Vorschriften und Verhaltensregeln gebunden waren. Es entstand ein bürokratisch-ordnungssystematisches Netzwerk zur Regulierung der Arbeitspendlerströme.

 

Wenn die israelischen Taktiken in Gaza legal sind, ist niemand sicher

Von Noura Erakat

Noura Erakat nimmt den Artikel von Michael N. Schmitt und John J. Merriams Artikel „The Tyranny of Context: Israeli Targeting Practices in Legal Perspective“ unter die Lupe. Die beiden Autoren untersuchen mit großzügiger Hilfe der IDF Israels Praktiken gegen den Gazastreifen und den Libanon und wollen so den Zusammenhang zwischen den Angriffen der israelischen Armee und den zu Grunde liegenden rechtlichen Standards aufzeigen. Die Befunde der beiden Autoren basieren auf zwei Besuchen in Israel im Dezember 2014 und Februar 2015 bei denen ihnen die israelische Armee großzügigen Zugang zum Gebiet um den Gazastreifen gewährte.

 

Ein Jahr nach dem Beginn des Mini-Aufstandes (Habba Scha’biyya) im besetzten Palästina

Von Petra Wild

Als Folge des Oslo-Abkommens, das auf Befriedung zielte, nicht auf Frieden, bekam die PLO minimale Zugeständnisse und wurde instrumentalisiert für die Niederhaltung der palästinensischen Bevölkerung. Israel kam in den Genuss aller Vorteile einer Kolonialmacht. Der Repressionsapparat der  PA sorgte für die Sicherheit Israels. Im Oktober brach in der Westbank der Aufstand aus, er dauerte bis zum Frühjahr 2016, bis die israelische Armee und der Repressionsapparat der PA den Aufstand unterdrücken konnte. Das war auch das erste Mal seit 1948, dass sich alle Teile des historischen Palästina gemeinsam im Aufstand befanden. Ursachen des Aufstandes sind u.a. der permanente Landraub und die Zerstörung der Lebensgrundlagen, der zunehmende Siedlungsbau und die Vertreibung. Hinzu kommt eine bedrückende Armut, 84% der Palästinenser in al-Quds leben unterhalb der Armutsgrenze. Doch was den Funken auf alle Teile Palästinas überspringen ließ, war der Angriff auf die muslimischen heiligen Stätten.

 

Die Herrschaftskrise der Autonomiebehörde als potentielle Krise der Besatzung

Von Toma El-Sarout

Das System der Osloer Verträge diente von Beginn an der Absicherung der israelischen Kolonisierung. In dieses System ist die Führung der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) fest eingebunden: Sie kann und will ihre Herrschaft nur in seinen Grenzen behaupten. Davon ausgehend versucht der Artikel zu analysieren, warum und wie die Autonomiebehörde in eine tiefe Krise geraten ist. Antonio Gramscis Konzept der Hegemonie erklärt, worauf sich die Herrschaft der PA bisher stützte und wie die Widersprüche des Osloer Systems diese Stützen und damit das System selbst untergraben haben. Der Artikel prognostiziert daher, dass das System der Osloer Verträge an sein Ende gekommen ist, womit sich auch die Möglichkeit einer Krise der Besatzung ergibt.

 

Das neue Palästina

Von Nadim Rouhana

Nadim Rouhana beschreibt ausgehend von einer Betrachtung der historischen Versäumnisse der palästinensischen Befreiungsbewegung die aktuelle Lage der Palästinenser. Er formuliert ein umfassendes neues Befreiungsprogramm, das sich der veränderten historischen, sozialen und politischen Determinanten nach dem Scheitern des Oslo-Prozesses bewusst sein muss, will es erfolgreich sein. Zugleich bekräftigt er das Recht auf Widerstand, dessen Form aber den verändernden Gegebenheiten im neuen Palästina und einer sich globalisierenden Welt angepasst werden muss.

 

Das US Militärhilfe-Abkommen und die Auswirkungen auf Palästina

Von Jonathan Cook

Jonathan Cook kommentiert das neue militärische Hilfspaket für Israel. PM Benjamin Netanyahu prahlte über seinen Erfolg, die jährliche Militärhilfe von 3,1 Milliarden Dollar auf 3,8 Milliarden Dollar ab 2019 angehoben zu haben, immerhin ein 22%iger Anstieg. Die Militärhilfe der USA beträgt seit dem Yom Kippur Krieg/Harb Tishrin ungefähr 100 Mrd. Dollar. Zur Zeit bezahlt Washington noch ein Fünftel des israelischen Militärbudgets. Doch die wichtigste Botschaft des neuen Militärhilfspaket geht an die Palästinenser: Die USA haben kein „strategisches Interesse“ mehr, die Besatzung zu beenden.

 

Ben Gurion 1951 – Debatte über die Todesstrafe

Von Gidi Weitz

“Solange kein jüdischer Soldat wegen der Ermordung von Arabern gehängt wird, werden diese Morde nicht aufhören”, sagte Israels erster Ministerpräsident seinem erstaunten Kabinett vor 66 Jahren, als von Juden verübte Morde an Arabern Alltag waren. “Ich bin nicht der Justizminster, ich bin nicht der Polizeiminister, und ich habe nicht den Überblick über sämtliche kriminelle Handlungen, die hier begangen werden, aber als Verteidigungsminister weiß ich von einigen Verbrechen, und ich muss sagen, dass die Situation in zweierlei Hinsicht erschreckend ist, zum einen Morde betreffend, zum andern Vergewaltigungen.”

Die jüdisch-arabischen Spannungen waren in der Folge des Krieges 1948 hochgekocht, und es gab zudem das Problem der “Infiltranten”. Arabische Flüchtlinge versuchten, zu ihren Häusern und Feldern zurückzukehren, die sie während des Krieges verlassen hatten…Daraufhin nahmen die Morde an Arabern stark zu, und manche Minister sahen die Todesstrafe als notwendig an, um das Problem zu lösen.

 

Inhalte im allgemeinen Teil

 

Gastkommentar

Weltklimakonferenz in Marokko – Lässt sich der „grüne Kolonialismus“ noch stoppen?

Von Axel Goldau

 

Tunesien

 

Youssef Chahed und die Unruhen auf Kerkennah: Analyse und Ansätze für eine alternative Politik

Von Dörte Krumbein, Ava Matheis, Sascha Radl und Nabil Tanios

Der Artikel liefert eine Übersicht über die Unruhen auf der tunesischen Inselgruppe Kerkennah und ordnet diese in den Kontext der fortschreitenden Neoliberalisierung des Landes sowie der Regierungskrise Mitte 2016 ein. Der Schlussteil zeigt Überlegungen auf, wie die europäische Linke auf die Gesamtsituation reagieren könnte.

 

Türkei

 

Abkehr des Westens, Diktatur und Staatskrise

Von Errol Babacan

Durch den Ausnahmezustand konnte die Diktatur schneller installiert werden. Präsident Erdogan dominiert die Exekutive und er hat in allen Belangen das letzte Wort. Errol Babacan ist der Auffassung dass das Parlament zum Theater degradiert wurde und die Justiz zur Makulatur geworden ist. Parteien können willkürlich per Präsidialdekret geschlossen werden. Das Verfassungsgericht verweist auf den Ausnamezustand und erklärt sich für nicht mehr zuständig in Verfassungsfragen, folglich ist die Verfassung aufgehoben.

 

Sudan/Südsudan

 

Sudan und Südsudan: Finanzkrise und Völkermord

Von Roman Deckert

Im Sudan wächst die Unzufriedenheit der Bevölkerung angesichts der chronischen Wirtschaftsmisere. Im Südsudan nimmt der Konflikt derweil genozidale Ausmaße an.

 

Ökonomiekommentar

 

Dauerkrise der arabischen Ökonomien. Wo bleibt die Linke?

Von Sascha Radl

 

Zeitensprung

 

Falsches Gedenken – 2. März 1956

Von Jörg Tiedjen

In kaum einem zweiten Land dürfte der Blick auf die eigene Geschichte in gleichem Maß von Mythen geprägt, ja geradezu verstellt sein wie in Marokko. In ihrem Mittelpunkt steht die Rede von dem mehr als „tausendjährigen Königreich“, die der marokkanischen Monarchie als Legitimation ihrer gegenüber der eigenen Bevölkerung mit nahezu absoluten Vollmachten ausgestatteten Herrschaft dient. Als das nordafrikanische Land aber am 2. März 1956 nach 44 Jahren französischer Kolonialherrschaft mit der Aufhebung des 1912 geschlossenen Vertrags von Fès zumindest formal seine Souveränität wiedererlangte, schien zunächst auch eine demokratische Entwicklung möglich. Diese verhinderte nicht zuletzt der König Hassan II., der sogar das Datum, an dem in Marokko der Unabhängigkeit gedacht wird, auf einen anderen Tag verlegte, damit die Erinnerung an die historischen Geschehnisse keinen Schatten warf auf den Kult um seine Person.

 

Nachruf

 

Marwan Qassab Bashi

Von Salah Saouli

 

Ex Mediis

 

David Talbot: Das Schachbrett des Teufels (Werner Ruf)

Moh. Abu Rumman: Ich bin Salafist (Jörg Tiedjen)

Hassan Abu Hanieh/Muh. Abu Rumman: Islamischer Staat und Al-Qaida (JT)

Werner Ruf: Islamischer Staat & Co. Profit, Religion und globalisierter Terror (JT)