Newsletter 147/2022: Israel: Mit dieser Regierung kein „business as usual“!
Mit den gestrigen Beschlüssen des neugewählten israelischen Parlamentes steht die israelische Regierung also auch rechtskräftig verurteilten Kriminellen offen. Aktuell werden davon drei neue Minister Gebrauch machen und zwar der Finanz-, der Innen- und der Sicherheitsminister. Dass der Ministerpräsident auch einmal davon Gebrauch machen könnte, ist nicht auszuschließen, es sind aber bereits weitere Maßnahmen der neuen Regierung angekündigt, welche die gerichtliche Verfolgung von rechtsbrecherischen Regierungsmitgliedern unmöglich machen soll. Dass diese Regierung die rechteste und chauvinistischste ist, welche Israel je hatte und dass ihr Minister angehören, welche sich durchaus berechtigt den Vorwurf eines faschistoiden Rassismus gefallen lassen müssen, ist inzwischen weitgehender Konsens.
Dass diese Regierung zu einer weiteren Spaltung und Radikalisierung der israelischen Gesellschaft führen wird, scheint ebenfalls bereits außer Streit zu stehen. Selbst der Staatspräsident, welche dieser Regierung in Kürze angeloben wird, zeigt sich „besorgt und betroffen“. Der abgelöste Ministerpräsident Jair Lapid meine, dass nach den gestrigen Gesetzesänderungen die neue Regierung sich bereits vor ihrer Vereidigung als „die korruptestes aller Zeiten“ erwiesen habe. Die drei bereits rechtskräftig verurteilten Minister könnten von „Bibi“ noch bei weitem in den Schatten gestellt werden, den ihm drohen insgesamt 13 Jahre Haft wegen Korruption, Betrugs und Untreue. Dafür scheint die Regierung mit ihrer parlamentarischen Mehrheit aber bereits Vorsorge getroffen zu haben. Die bereits angekündigten tiefen Eingriffe in das israelische Rechtssystem veranlassten die israelische Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara bereits zu folgender Feststellung: „Without judicial oversight and independent legal advice, we will left with just the principle of majority rule, and nothing else. Democracy in name, but not in essence.„ (Zit. nach Thomas Friedman, New York Times, siehe Links).
Was macht Europa, was macht Österreich?
Die gestrigen Beschlüsse der Knesset, noch mehr aber die bereits angekündigten Maßnahmen der neuen israelischen Regierung sollten jedenfalls international die Alarmglocken Sturm läuten lassen. Da von den USA als ausschlaggebenden Alliierten Israels lediglich besorgte Lippenbekenntnisse zu erwarten sind, wird hier besonderes Augenmerk auf die Reaktion der EU und der einzelnen europäischen Staaten zu lenken sein. Sollte man auch hier nach einer ersten Phase einer „diplomatischen Empörung“ wieder zu business as usual zurückkehren, würde das die Glaubwürdigkeit Europas schwerstens beeinträchtigen. Das Mindeste, was man sich erwarten sollte, ist eine genaue Prüfung der bereits gesetzten Beschlüsse des israelischen Parlaments hinsichtlich demokratischer Grundsätze sowie der bereits angekündigten Reformen im Rechtsbereich (siehe Einschätzung der israelischen Generalstaatsanwältin). Auch die bereits angekündigte Verschärfungen der (völkerrechtswidrigen!) Siedlungspolitik sollten Anlass genug geben, die traditionellen Beziehungen zu Israel einer ernsthaften und tiefgreifenden Überprüfung zu unterziehen. Hier sollte ganz besonders auch der Bereich der militärischen und sicherheitspolitischen Zusammenarbeit infrage gestellt werden.
Was Österreich anbelangt, so erwarte ich mir zumindest die Einberufung des österreichischen Botschafters zur Berichterstattung sowie die sofortige Überprüfung sämtlicher Kooperationen im Bereich der Sicherheit und Landesverteidigung.
Aus meiner Sicht ist es angesichts der bereist gesetzten Maßnahmen der Knesset sowie der Ankündigungen der israelischen Regierung absolut inakzeptabel, zum business as usual zurückzukehren.
Mit besten Grüßen,
Fritz Edlinger
Herausgeber und Chefredakteur
Anbei links zu weiteren Analysen und Stellungnahmen:
https://www.middleeasteye.net/news/israel-government-incoming-names-new-ministers
https://www.aljazeera.com/news/2022/12/29/who-is-benjamin-netanyahu-explainer
https://www.nytimes.com/2022/12/15/opinion/israel-palestinians-arabs-jews.html