NEUTRALITÄT
Immerwährend, aktiv oder kooperativ?

Das Konzept der Neutralität als völkerrechtliches Prinzip ist infolge der russischen Aggression gegen die Ukraine wieder zu einem Thema der internationalen Politik geworden. Als immerwährend neutraler Staat ist Österreich hier ebenfalls wieder stärker in das Interesse der internationalen Öffentlichkeit geraten. Der Beitritt der bislang neutralen/blockfreien Staaten Finnland und Schweden zur NATO hat zudem die Diskussion darüber, wie der Neutralitätsstatus für die betroffenen Staaten eine gewisse Sicherheit bei internationalen Konflikten und bewaffneten Auseinandersetzungen garantiert, angeheizt. Der internationale Mainstream tendiert unter den Erfahrung des Ukrainekrieges ganz offensichtlich zur Ansicht, dass ein Beitritt zur NATO, dem mächtigsten Militärbündnis der Welt, die beste Sicherheitsgarantie sei. Österreich gehört nach den weiteren neutralen EU-Staaten Irland, Malta und Zypern sowie der Schweiz zu den letzten verbleibenden europäischen Staaten, die keinem Militärbündnis angehören. Aber auch dort gibt es aufgrund der aktuellen Ereignisse die Diskussion, ob nicht doch auch hier gewissen Anpassungen an die geopolitischen Realitäten vorgenommen werden sollen. In der Schweiz ist diese Diskussion schon relativ weit fortgeschritten, in Österreich hingegen war die erste Reaktion seitens der Bundesregierung de facto eine Diskussionsverweigerung. Von den Oppositionsparteien gab es unterschiedliche Reaktionen. Während die – zu früheren Zeiten noch sehr NATO-freundliche FPÖ sich zum Wortführer der mehr oder minder bedingungslosen Neutralitätsbefürworter und NATO-Gegner aufschwang, hätte man von der traditionell neutralitätsfreundlichsten SPÖ ein stärkeres Engagement erwartet, die Neos haben aus ihrer Sympathie für eine Annäherung zur NATO kein Hehl gemacht. Aus der Zivilgesellschaft gab es unterschiedliche Initiativen. Einigen Aufrufen zur Beibehaltung der Neutralität, die allerdings sämtliche kein besonders breites Echo in der Öffentlichkeiten fanden, gab es eine Initiative, die in Form eines Offenen Briefes an Bundespräsident Van der Bellen eine breite öffentliche Diskussion über eine mögliche Aktualisierung der Neutralität forderte. Manchen der Unterzeichner*innen dieses Briefes dürfte es tatsächlich in erster Linie um eine Evaluierung und mögliche Präzisierung der Neutralität gehen, bei anderen kann man sich des Eindruckes nicht ganz erwehren, dass sie eigentlich eine Annäherung an die NATO, mitunter sogar einen Beitritt, im Auge haben. Ob der Präsidentschaftswahlkampf, der eskalierende Ukrainekrieg oder andere Faktoren dafür ausschlaggebend waren, ist schwer festzustellen, jedenfalls hat es zumindest bislang de facto keine breite öffentliche Diskussion über das Thema gegeben. Aus meiner Sicht ist dies durchaus bedauerlich, da eine derartige  auch die – durchaus notwendige – Chance zu einer umfassenden und ernsthaften Diskussion über die österreichische Außen- und Sicherheitspolitik eröffnet hätte. Denn diese ist längst überfällig.

Die von INTERNATIONAL organisierte Podiumsdiskussion sollte gerade zu Letzterem einen Anstoß geben. Die durchaus ausgewogene Auswahl der Podiumsdiskutant*innen und auch das ausgewählte Forum sollte dies ermöglichen. Der Verlauf der Diskussion untermauerte eindrucksvoll unsere Annahme, dass es sehr wohl ein bedeutendes Interesse an einer derartigen Diskussion gibt, und das es – entgegen manchen Befürchtungen – durchaus möglich ist, die recht kontroversen Ansichten in einer sachlichen und profunden Weise zu formulieren und auszutauschen. Es ist wirklich zu hoffen, dass es weitere derartige Gelegenheiten geben wird, wenngleich es weder von der Bundesregierung noch von der Opposition, leider auch nicht vom direkt angesprochenen Bundespräsidenten, ernsthafte Versuche dazu gegeben hat. Wir von INTERNATIONAL werden es jedenfalls weiter versuchen.

Zum Abschluss möchte ich auf die gesamte Aufzeichnung der Veranstaltung verweisen sowie auf ein spezielles Heft unserer Broschürenreihe ImFokus, in dem Beiträge von Prof. Heinz Gärtner und General Günther Greindl zu finden sind, welche nicht mit den jeweiligen Beiträgen bei der Podiumsdiskussion ident sind.  Die Hefte sind direkt über unsere Webseite zu bestellen (da setze auch den genauen Link).

In diesem Sinne erhoffe ich mir eine lebendige Diskussion und verbleibe

mit besten Grüßen!

Fritz Edlinger
Herausgeber